"Mach deine Leidenschaft zum Beruf, dann arbeitest du keinen Tag in deinem Leben."
Wie oft hast du diesen Ratschlag schon gehört? Vielleicht hast du sogar versucht, ihn zu befolgen. Vielleicht hast du deine vermeintliche Passion gesucht, Podcasts gehört, Listen geschrieben, Persönlichkeitstests gemacht. Und vielleicht bist du dabei frustrierter geworden, statt klarer.
Falls ja: Du bist nicht allein. Und es liegt nicht an dir.
Das Problem liegt im Ratschlag selbst.
Erst vor Kurzem hatte ich eine erste Session mit einem Klienten, der auf der Suche nach seiner Leidenschaft war. Nach zwei Stunden war klar, dass die Suche nach beruflicher Leidenschaft, den Blick für alles andere versperrt, z.B. auf die eigene Beziehung.
Das Passion-Paradox
Lass uns ehrlich sein: Nicht jede Leidenschaft eignet sich dazu, daraus einen Beruf zu machen. Nur weil du gerne fotografierst oder Hip-Hop hörst, musst du nicht Fotografin oder Musikproduzent werden. Tatsächlich verlieren viele Menschen den Spaß an ihren Hobbys, sobald sie damit Geld verdienen müssen. Was einst Freude brachte, wird zur Verpflichtung.
Meine Frau schwärmt seit 15 Jahren davon, ein Café zu eröffnen und selbst gebackenen Kuchen neben den kreativen Dingen, die sie bastelt, anzubieten. Ohne Zweifel, die Kuchen, die sie in Vergangenheit gezaubert hat, waren immer lecker und sehr dekorativ.
Ich bin dann immer der Spielverderber, wenn ich frage: "Hättest du tatsächlich Lust, jeden Tag neue Kuchen zu backen, wenn du es müsstest?"
Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Das größere Problem ist die Annahme dahinter: Dass Passion etwas ist, das man einfach nur finden muss. Als läge sie irgendwo versteckt und würde darauf warten, entdeckt zu werden. Als wäre sie schon fertig und vollständig und man müsste nur lange genug suchen.
Was die Forschung zeigt
Forscher der Yale University haben genau diese Annahme untersucht. Sie fanden heraus, dass Menschen mit einer "fixen Haltung", also jene, die glauben, ihre Passion läge bereits irgendwo fix und fertig bereit, zwei entscheidende Nachteile haben:
- Sie suchen nur innerhalb ihrer bekannten Interessen
- Sie geben bei den ersten Schwierigkeiten deutlich schneller auf
Warum? Weil sie denken: "Wenn das wirklich meine Passion wäre, dann wäre es doch nicht so schwer."
Bei Passion geht es nicht primär darum, was uns "Spaß macht". Es geht darum, was uns wichtig ist.
Menschen mit einer wachstumsorientierten Haltung dagegen suchen auch außerhalb ihrer gewohnten Sphäre. Sie akzeptieren Schwierigkeiten als Teil des Prozesses. Für sie ist Passion nichts, was man findet – sondern etwas, das man entwickelt.
Professor Jachimowicz von der Harvard University bringt es auf den Punkt: Wir sollten nicht warten, bis uns die Passion findet. Wir sollten sie aktiv suchen und entwickeln.
Und dann fügt er etwas Entscheidendes hinzu: Bei Passion geht es nicht primär darum, was uns "Spaß macht". Es geht darum, was uns wichtig ist.
Von der Passion zu den Werten
Hier liegt der Wendepunkt.
Die Frage ist nicht: "Was macht mir Spaß?" Die Frage ist: "Was ist für mich bedeutsam?" oder "Was ist mir wirklich wichtig im Leben?"
Das ist mehr als Wortklauberei. Es ist ein fundamentaler Perspektivwechsel.
Wenn du nach Spaß suchst, landest du bei Hobbys und Vorlieben. Wenn du nach Bedeutsamkeit suchst, landest du bei deinen Werten.
Und Werte – das zeigt die Forschung aus der Akzeptanz- und Commitment-Therapie, sind der verlässlichere Kompass (nicht nur) für ein erfülltes (Arbeits-)leben.
Was wirklich zählt: Die vier Dimensionen beruflicher Zufriedenheit
In meiner Arbeit mit Menschen, die ihre Karriere neu gestalten wollen, zeigen sich immer wieder vier zentrale Dimensionen, die über Zufriedenheit oder Frustration im Job entscheiden:
Sinnhaftigkeit: Erlebst du deine Arbeit als bedeutsam? Trägt sie zu etwas Größerem bei?
Autonomie: Hast du Gestaltungsspielraum? Kannst du Entscheidungen treffen, die zu dir passen?
Verbindung: Fühlst du dich mit anderen verbunden? Arbeitest du mit Menschen, die dir wichtig sind?
Kompetenz: Kannst du deine Stärken einbringen? Entwickelst du dich weiter?
Diese vier Dimensionen sind keine Theorie aus dem Elfenbeinturm. Sie basieren auf der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan, einer der am besten erforschten Motivationstheorien der Psychologie.
Der entscheidende Unterschied zur Passion-Jagd: Diese Dimensionen musst du nicht "finden". Du kannst sie aktiv gestalten. In fast jedem Job. Auch in deinem jetzigen.
Der Weg ist kurvig, nicht gerade
Professor Herminia Ibarra von der London Business School hat in ihrem Forschungsprojekt "Working Identity" etwas Wichtiges herausgefunden: Karriereveränderungen entstehen nicht durch Grübeln oder perfekte Planung. Sie entstehen durchs Tun.
Durch kleine Experimente. Durch neue Kontakte. Durch das Ausprobieren verschiedener Möglichkeiten. Dies ist im Übrigen auch der Life Design Ansatz, den ich mit Klienten durchlaufe, wenn es um berufliche Neuorientierung geht.
Der Journalist Po Bronson hat über 900 Menschen befragt, die ihre Karriere neu gestaltet haben. Sein Fazit: Es geschah nicht über Nacht. Es brauchte mehrere Jahre mit mehreren Versuchen. Und die Reise glich "eher einer kurvigen Straße als einer geraden Linie."
Das mag erst mal ernüchternd klingen. Aber eigentlich ist es befreiend.
Du musst nicht DIE eine perfekte Antwort finden. Du darfst ausprobieren, anpassen, neu ausrichten. Du darfst Umwege gehen.
Glaubenssätze auf den Prüfstand stellen
"Folge deiner Passion." "Schuster, bleib bei deinen Leisten." "Das Leben ist kein Wunschkonzert."
Solche Sätze haben wir alle verinnerlicht. Oft wissen wir nicht einmal, woher sie kommen. Aber sie beeinflussen unsere Entscheidungen, manchmal mehr, als uns lieb ist.
Es lohnt sich, diese Glaubenssätze einmal bewusst anzuschauen. Nicht um sie alle über Bord zu werfen. Sondern um zu prüfen: Dient mir dieser Gedanke noch? Oder hält er mich davon ab, das Leben zu gestalten, das ich leben möchte?
Der erste Schritt: Klarheit gewinnen
Bevor du irgendetwas veränderst, lohnt sich eine ehrliche Bestandsaufnahme: Wo stehst du gerade? Was läuft gut in deinem Job? Wo fehlt etwas?
Oft spüren wir diffuse Unzufriedenheit, ohne genau zu wissen, woran es liegt. Ist es die fehlende Autonomie? Die mangelnde Sinnhaftigkeit? Das Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören? Oder die Tatsache, dass du deine Stärken nicht einbringen kannst?
Diese Klarheit ist der Ausgangspunkt für jede sinnvolle Veränderung.
Möchtest du herausfinden, wie es um deine berufliche Zufriedenheit steht?
Ich habe einen fundierten Selbsttest entwickelt, der dir zeigt, wo du in den vier zentralen Dimensionen stehst und wo möglicherweise deine größten Hebel für mehr Zufriedenheit liegen.
Der Test dauert etwa 5 Minuten und gibt dir konkrete Anhaltspunkte, wo du ansetzen kannst.
Beantworte 24 einfache Fragen und ich sende dir einen individuellen Ergebnisbericht mit Feedback für deine spezielle Situation. Schnell und kostenfrei.
- Nur 5 Minuten zu deinem Zufriedenheitslevel
- 100% kostenfrei
- Wissenschaftlich fundiert aus der Arbeitszufriedenheitsforschung
- Individuelles Ergebnis als PDF
Denn eines ist sicher: Du musst nicht auf den perfekten Moment warten, an dem sich die Passion zeigt. Du kannst heute anfangen, die Arbeit zu gestalten, die zu deinen Werten passt.
Nicht über Nacht. Nicht mit einer dramatischen Kündigung. Aber Schritt für Schritt. Mit Neugier statt Perfektion. Mit Experimenten statt Gewissheit.
Das ist Life Design. Und es funktioniert besser als jede Passion-Jagd.
